Sie waren beim Flüchtlingsgipfel nicht dabei: Die Kommunen, die den schwersten Job bei der Unterbringung von Schutzsuchenden zu erledigen haben. Besonders an einer Vereinbarung des Bund-Länder-Treffens üben sie Kritik.
Berlin. Die Ergebnisse des Flüchtlingsgipfels von Bund und Ländern sind sowohl bei den Kommunen also auch bei der Opposition im Bundestag auf Kritik gestoßen. "Eine Einigung erst im November kommt für das Jahr 2024 deutlich zu spät und stößt bei den Kommunen auf große Enttäuschung", sagte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebunds, Gerd Landsberg, der "Rheinischen Post" (Donnerstag). Er äußerte sich mit Blick darauf, dass eine dauerhafte Lösung zur Finanzierung der Flüchtlingsunterbringung auf den Herbst vertagt worden war. "Das ist ein schlechtes Signal an die Städte", sagte Städtetags-Präsident Markus Lewe der Zeitung.
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"Mit einer Vertagung drängender Probleme können die Landkreise nicht wirklich zufrieden sein", sagte der Präsident des Deutschen Landkreistages, Reinhard Sager, den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Die Vertreter der Kommunen waren zu dem Treffen nicht eingeladen worden.
Eine Milliarde mehr vom Bund
Der Bund hatte bei der Einigung am Mittwochabend eine Milliarde Euro als zusätzliche Beteiligung an den Kosten der Flüchtlingsversorgung für dieses Jahr zugesagt. Über die künftige Aufschlüsselung der Kosten soll aber zunächst in einer Arbeitsgruppe beraten und erst im November entschieden werden. Die Milliarde sei "nur ein Tropfen auf den heißen Stein", kritisierte Landsberg.
Stephan Weil (SPD, l-r), Ministerpräsident von Niedersachsen und amtierender Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK), Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Hendrik Wüst (CDU), Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, äußern sich bei der Pressekonferenz nach dem Bund-Länder-Gipfel im Bundeskanzleramt. Bund und Länder haben bei einem Flüchtlingsgipfel im Kanzleramt eine Grundsatzentscheidung über dauerhaft höhere Bundesmittel für die Finanzierung der Unterbringung, Versorgung und Integration von Schutzsuchenden vertagt.
Mit dem Betrag sollen die Länder dabei unterstützt werden, ihre Kommunen zusätzlich zu entlasten und die Digitalisierung der Ausländerbehörden zu finanzieren. Der Bund hatte zuvor bereits 1,5 Milliarden Euro für Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine in diesem Jahr zugesagt sowie 1,25 Milliarden Euro für andere Geflüchtete. Sachsen, Bayern und Sachsen-Anhalt hielten in einer Protokollerklärung Vorbehalte gegenüber den Gipfel-Ergebnissen fest.
Linken-Fraktionschef Bartsch: "Enttäuschungsgipfel"
Der Fraktionschef der Linken im Bundestag, Dietmar Bartsch, nannte die Runde im Kanzleramt im Gespräch mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) einen "Enttäuschungsgipfel". Die Vorsitzenden der AfD-Fraktion, Alice Weidel und Tino Chrupalla, bezeichneten die Ergebnisse als "nicht geeignet, die dringend erforderliche Migrationswende in Deutschland einzuleiten. Noch mehr Geld für noch mehr Flüchtlinge wird die Flüchtlingskrise nicht lösen, sondern verlängern."
Die Aufstockung der Beteiligung gilt als Zugeständnis an die Länder. Die sehen allerdings den Bund grundsätzlich in der Pflicht. "Der Bund allein hält den Schlüssel zur Steuerung und Begrenzung der Migration in der Hand. Solange er diesen Schlüssel nicht ausreichend nutzt, muss er sich an den Kosten der Länder und Kommunen beteiligen", sagte Hessens Ministerpräsident Boris Rhein (CDU), der im November Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) sein wird. In dem Beschlusspapier des Gipfels heißt es auch: "Aus Sicht der Länder bedarf es eines atmenden Systems, bei dem sich die finanzielle Unterstützung des Bundes an den Zugangszahlen der Geflüchteten orientiert."
Abschiebungen sollen konsequenter durchgesetzt werden
Überwiegend begrüßt wurden Absichtserklärungen der Bundesregierung, die sogenannte irreguläre Migration stärker einzudämmen, auch wenn hierfür noch Verhandlungen auf EU-Ebene bevorstehen. Um Abschiebungen konsequenter durchzusetzen, hätten sich Bund und Länder auch darauf verständigt, die maximale Dauer des Ausreisegewahrsams von derzeit 10 auf 28 Tage zu verlängern, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). In Ausreisegewahrsam können Menschen genommen werden, die in ihre Heimatländer abgeschoben werden sollen, sich aber häufiger unkooperativ verhalten haben - zum Beispiel mit falschen Angaben über ihre Staatsangehörigkeit. Vereinbart wurden den Angaben zufolge auch erweiterte Zuständigkeiten der Bundespolizei und ein verbesserter Informationsaustausch zwischen Justiz- und Ausländerbehörden.
Quelle: dpa