Politik

Lindner will Protz-Bau am Kanzleramt stoppen - Scholz unter Druck

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Im Haushaltsstreit der Ampel-Koalition hat Bundesfinanzminister Christian Lindner gefordert, dass auch ''im Bereich der Regierung im engeren Sinne'' Stellen und andere Vorhaben auf den Prüfstand gestellt werden. 

Berlin (dpa) - Als Beispiel sagte der FDP-Vorsitzende am Mittwochabend in der ARD-Sendung "Maischberger": "Ich glaube, dass in Zeiten von mehr Homeoffice und ortsflexiblem Arbeiten ein mindestens 800 Millionen teurer Neubau neben dem Kanzleramt entbehrlich ist." Lindner bezog sich dabei offensichtlich auf den geplanten Erweiterungsbau des Kanzleramts. Nach Angaben aus Regierungskreisen im September wurden dafür 777 Millionen Euro veranschlagt.

Anfangs wurde das Bauprojekt mit einem Budget von 485 Millionen Euro genehmigt. Später schätzte die Regierung die Kosten auf etwa 637 Millionen Euro, wobei ein Risikopuffer von 140 Millionen Euro für mögliche Kostensteigerungen berücksichtigt wurde.

Im Finanzministerium gibt es laut Lindner inzwischen 65 Prozent ortsflexibles Arbeiten, "das heißt die Kolleginnen und Kollegen können von zu Hause arbeiten, von unterwegs, und nutzen das auch". Daraus folge doch aber auch, dass man Büroflächen anders nutzen und begrenzen könne. "Warum dann also noch ein so teurer Neubau?", sagte Lindner. Mit Blick auf Kanzler Olaf Scholz (SPD) fügte er an: "Ich glaube, der wird missvergnügt sein, dass ich das jetzt hier vorgeschlagen habe. Aber das ist mein Job."

Lindner wollte ursprünglich am Mittwoch Eckwerte für den Haushalt 2024 vorlegen. Er ließ den Termin jedoch platzen, weil er sich mit seinen Kollegen nicht einigen konnte. Die Fachminister hatten Zusatzwünsche von rund 70 Milliarden Euro angemeldet, für die der Finanzminister keinen Spielraum sieht, wenn die Schuldenbremse eingehalten und auf Steuererhöhungen verzichtet wird.

Lob aus der Opposition

Lob bekam er dafür am Donnerstag aus der Opposition. "Es ist doch absurd, dass die Ampel an die Bevölkerung wohlfeile Spartipps verteilt, aber gleichzeitig am Erweiterungsbau mit explodierenden Kosten festhält. Ich hoffe sehr, dass Minister Lindner sich hier durchsetzen kann", erklärte Unionsfraktionsvize Ulrich Lange.

Auch der Bund der Steuerzahler betonte, angesichts hoher Schulden, einer lahmenden Konjunktur und weiterhin hoher Inflation sei eine Verdopplung des Kanzleramts völlig unpassend. "Das Mega-Projekt mit einer Kostenprognose von inzwischen 777 Millionen Euro muss in dieser Form gestoppt werden!", sagte Präsident Reiner Holznagel. Das Bundeskanzleramt sei bereits heute größer als das Weiße Haus in Washington und der Élysée-Palast in Paris. "Wir brauchen eine Generalrevision für Prestigebauten der Politik", forderte Holznagel.

Im Kanzleramt argumentierte man im Herbst, die Konzentration der Arbeitsplätze an einem Ort werde die Produktivität steigern. Man habe sich angesichts der Krise zwar angeschaut, was ein Ausstieg aus dem Bauvorhaben bedeuten würde, "das aber nicht als Alternative gesehen".

Nach bisherigen Plänen soll das bogenförmige Gebäude im Jahr 2028 fertig sein. Es soll im derzeitigen Kanzlergarten auf der anderen Spreeseite, also gegenüber des Hauptgebäudes, entstehen und das sogenannte "Band des Bundes" nach Westen abschließen. Zu diesem Gebäudeensemble gehören auch zwei Bauten des Bundestags, die sich im Osten an das Kanzleramt anschließen. 
 

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