Inmitten anhaltender Proteste im Iran kommen von der politischen Führung des Landes unterschiedliche Signale.
Justizsprecher Massud Setajeschi erklärte am Dienstag, dass weitere fünf Demonstranten zum Tode verurteilt worden seien. Gleichzeitig sprach er von der Freilassung von 1200 Demonstranten. Eine Behörde, die sich mit islamischen Regeln befasst, bestätigte zudem die Worte des Generalstaatsanwalts vom Sonntag, nach denen die Sittenpolizei nicht mehr aktiv sein soll.
Aktivisten und Augenzeugen zufolge haben am Dienstag erneut Menschen gegen die politische Führung des Landes aufbegehrt. Auf den Straßen der Hauptstadt Teheran riefen die Demonstranten demnach "Tod dem Diktator" und "Islamische Republik wollen wir nicht (mehr)". Berichte über gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und Demonstranten gab es zunächst nicht.
Auch Unternehmen sollen protestieren
Im Iran wird seit Mitte September gegen die politische Elite und das politische System des Landes demonstriert. Für Montag bis Mittwoch dieser Woche hatten Aktivisten zu den sogenannten 14-15-16-Protesten aufgerufen - die Zahlen sind das Datum im persischen Kalendermonat Azar. Im Zuge dieser sollten sich auch Unternehmen den Protesten anschließen. Ziel sei es, die Wirtschaft des Landes lahmzulegen. Es gab widersprüchliche Angaben dazu, wie stark Wirtschaftstreibende dem Aufruf folgten.
Teheran machte am Dienstag gleichzeitig neue Urteile gegen Demonstranten öffentlich. Nach Angaben von Justizsprecher Setajeschi seien mindestens fünf Demonstranten wegen des Todes eines Sicherheitsbeamten zum Tode verurteilt worden, berichtete die Nachrichtenagentur Isna. Setajeschi sprach in dem Zusammenhang von "Mord". Gegen die Todesurteile könne Berufung eingelegt werden, hieß es weiter. Teheran hatte jüngst angekündigt, "bald" auch Todesurteile gegen Demonstranten vollstrecken zu wollen. Gleichzeitig erklärte Setajeschi, 1200 Demonstranten seien freigelassen worden.
Einstellung der Sittenpolizei
Einem Medienbericht zufolge hat nach dem Generalstaatsanwalt nun auch eine weitere Behörde von der Einstellung der Aktivitäten der Sittenpolizei gesprochen. "Die Einsätze der Sittenpolizei wurden auf Anweisung der Staatsanwaltschaft eingestellt", sagte am Dienstag Ali Chanmohammadi, der Sprecher der Zentrale für die Förderung der Tugend und der Verhütung des Lasters, wie das Nachrichtenportal Entekhab berichtete. Die Sittenpolizei setzte in der Vergangenheit die Vorschriften des Tugend-Zentrums um.
Die Handlungen der Sittenpolizei waren der Auslöser der seit über zwei Monaten andauernden systemkritischen Proteste im Land. Mitte September verhafteten die islamischen Sittenwächter die 22-jährige Mahsa Amini, weil unter ihrem Kopftuch angeblich ein paar Haarsträhnen hervorgetreten waren. Amini starb wenige Tage später im Gewahrsam der Sittenpolizei.
Am Sonntag hatte der iranische Generalstaatsanwalt erklärt, die Sittenpolizei sei abgeschafft worden. Die Aussage war von vielen Demonstranten und Kritikern der politischen Führung zunächst mit Skepsis aufgenommen worden. Sie fordern weiter eine Abschaffung des Kopftuchzwangs im Land. Frauen im Iran befürchten, dass die Kontrollaktivitäten der Sittenpolizei nach deren Auflösung einfach von anderen Sicherheitskräften übernommen werden könnten. Aktivisten sehen in den Aussagen zur Sittenpolizei zudem ein "Ablenkungsmanöver", um die aufgrund der jüngsten Protesten weiter angespannte Lage im Land zu beruhigen.
Quelle: dpa