Das Internationale Olympische Komitee hat mit der Wiederzulassung von russischen und belarussischen Sportlern die Kontroverse im Weltsport verschärft und viele Fragen aufgeworfen.
Nun müssen die Weltverbände entscheiden, ob und wie sie die IOC-Vorgaben umsetzen und die Neutralität der Athleten dieser beiden Länder bei Starts überwachen. Dass mitten im Krieg russische und ukrainische Sportler wieder auf internationalen Sportbühnen aufeinandertreffen sollen, dürfte heikel werden.
IOC empfiehlt Wiederzulassung russischer Sportler
Bundesinnenministerin Nancy Faeser sieht die IOC-Entscheidung als "Schlag ins Gesicht" der ukrainischen Sportler. Wer den Kriegstreiber Russland internationale Wettbewerbe für seine Propaganda nutzen lasse, "schadet der olympischen Idee von Frieden und Völkerverständigung", sagte die SPD-Politikerin. Der sportpolitische Sprecher der CDU/CSU, Stephan Mayer, meinte, dass die Rollen von Tätern und Opfern endgültig in grotesker Weise vertauscht worden seien. Auch die Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Renata Alt (FDP), hält die angeratene Russen-Rückkehr für grundfalsch: "Das IOC beweist damit wieder einmal ein mangelndes Verständnis der Menschenrechte."
Wie beurteilen die deutschen Athleten die empfohlene Wiederzulassung?
Die Vereinigung Athleten Deutschland hält den IOC-Beschluss für falsch. "Ein kollektiver Ausschluss wäre – nach mehrfachen Brüchen mit den Werten und Regeln der olympischen Bewegung – ein geeignetes und legitimes Mittel gewesen, auch ohne gegen Diskriminierungsverbote zu verstoßen", hieß es in einer Mitteilung.
Wie hat Russland reagiert?
Russlands Sportminister Oleg Matyzin kritisierte die IOC-Entscheidung als "inhuman". "Die Empfehlungen des IOC, russische Sportler zu klassifizieren, sind unrechtmäßig und die Einzelentscheidung zu den Mannschaftssportarten offen diskriminierend", schrieb Matyzin auf dem Telegram-Kanal seines Ministeriums. Auch das russische Nationale Olympische Komitee sprach von Diskriminierung und Ausgrenzung. Das IOC-Verbot für Athleten, sich in den Medien positiv über Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine zu äußern, prangerte das NOK als politische Bevormundung an.
Drohen im Fall einer Zulassung von Russen und Belarussen für die Sommerspiele 2024 Olympia-Boykotte anderer Länder?
Die Ukraine hat schon vor dem IOC-Entscheid mit Boykott der Paris-Spiele gedroht, wenn Athleten aus Russland und Belarus zugelassen werden. Auch aus den baltischen Staaten und Polen kamen ähnliche Drohungen. Für den DOSB, die Spitzenverbände und auch die deutsche Politik ist das kein Thema. "Keine Option für den deutschen Sport darf ein Boykott Olympischer Spiele sein", bekräftigte Andreas Michelmann, der auch Sprecher der Spitzenverbände ist. "Das sollten wir auch aus der deutsch-deutschen Sportgeschichte gelernt haben." Und auch DOSB-Präsident Thomas Weikert versicherte: "Wir starten in Paris."
Bis wann müsste das IOC über eine Teilnahme von russischen und belarussischen Einzelsportlern an Olympia entscheiden?
Nach der Regel 44.1 der Olympischen Charta ist vorgeschrieben, dass das IOC ein Jahr vor Eröffnung der Olympischen Spiele Einladungen an die NOKs versenden muss. Dies wäre der 26. Juli 2023. IOC-Präsident Bach sprach nur davon, diese Entscheidung "zu einem geeigneten Zeitpunkt zu treffen." In manchen Sportarten könnten Russen und Belarussen sowieso nicht dabei sein: Beispielsweise hat der Leichtathletik-Weltverband den Ausschluss von Athleten beider Länder demonstrativ wenige Tage vor dem IOC-Entscheid verlängert und einen Zugang auch zu Olympia-Qualifikationswettkämpfen bis auf Weiteres gesperrt.
Quelle: dpa