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Scholz bei Biden im Weißen Haus: Wirklich allerbeste Freunde?

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Für Kanzler Scholz ist US-Präsident Biden nicht nur der mächtigste Verbündete, sondern auch ein Bruder im Geiste. Vor einem Besuch im Weißen Haus gibt es allerdings Zweifel, ob die politische Freundschaft wirklich so eng ist, wie Scholz es sich wünscht. 

Diese Reise nach Washington hat schon etwas Geheimnisvolles. Der nagelneue Regierungsflieger «Konrad Adenauer» ist ziemlich leer, als er am frühen Donnerstagabend in Berlin in Richtung US-Hauptstadt abhebt. Bundeskanzler Olaf Scholz hat wie üblich seine engsten Mitarbeiter aus dem Kanzleramt dabei und natürlich seine Sicherheitskräfte. Journalisten, sonst meistens so um die 25, dürfen diesmal aber nicht mit - sehr ungewöhnlich bei einem so wichtigen Reiseziel. Auch Wirtschaftsleute sind nicht dabei. Der Kanzler will also seine Ruhe haben.

Am Flughafen in Washington wird Scholz vom Protokollchef, dem US-Diplomaten Rufus Gifford empfangen. Stille Ankunft nennt man das. Für den Abend ist nichts Offizielles mehr geplant. Überhaupt hat Scholz auf dieser Reise nur einen offiziellen Termin: Ein Gespräch mit US-Präsident Joe Biden am Freitag im Weißen Haus unter vier Augen - ohne die sonst übliche anschließende Pressekonferenz.

Biden machte vergangene Woche Bogen um Berlin

Es ist ein sehr vertraulicher Besuch, bei dem schon vorher ziemlich klar ist, dass man nachher von den Ergebnissen nicht viel erfahren wird. Hauptthema: Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine. Es gibt einiges zu bereden. Wie geht es weiter bei der Versorgung der Ukraine mit Waffen und Munition? Wie geht man mit den zunehmenden Forderungen nach Verhandlungen um? Welche Sicherheitsgarantien kann man der Ukraine langfristig geben? Und wie kann man China sanktionieren, wenn es Waffen an Russland liefert?

Eigentlich hätte das Gespräch auch schon vergangene Woche stattfinden können, als Biden die Ukraine und Polen besuchte. Der US-Präsident machte aber nur einen kurzen Zwischenstopp auf dem Luftwaffenstützpunkt Ramstein in Rheinland-Pfalz. Auf den ersten Berlin-Besuch Bidens seit dessen Vereidigung vor gut zwei Jahren muss Scholz weiter warten.

Umgekehrt ist der Kanzler nun schon zum zweiten Mal in den 15 Monaten seit seinem Amtsantritt in Washington. Nach seiner Ankunft betont er am Freitag, die Beziehungen zwischen Deutschland und den USA seien so gut wie seit vielen Jahren nicht mehr. «Ich glaube das ist wichtig in diesen Zeiten, in denen wir herausgefordert sind durch den furchtbaren Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine», sagt er. Die Grundlage dafür sei Vertrauen, das dadurch entstehe, dass man immer wieder miteinander spreche. «Das ist genau, was wir tun.»

Brüder im Geiste: Unspektakulär, besonnen, ergebnisorientiert

Für Scholz ist es nicht nur ein Besuch bei seinem mächtigsten Verbündeten, sondern auch bei einem politischen Freund, den er als Bruder im Geiste sieht. Wenn Scholz über Biden spricht, gerät er fast ins Schwärmen. Auf der internationalen Bühne gibt es niemanden, der vom politischen Stil her so gut zu ihm passt, wie der 80-jährige US-Präsident: Unspektakulär, aber auch unaufgeregt, besonnen und vor allem ergebnisorientiert.

Im Umgang mit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine ist Biden für Scholz so etwas wie eine Leitfigur geworden. Wenn der Kanzler davon spricht, dass er bei den Waffenlieferungen keine Alleingänge machen möchte, meint er vor allem: Nicht ohne die Amerikaner. Das war bei der Lieferung von Mehrfachraketenwerfern so, bei den Patriot-Luftabwehrsystemen und bei den Schützenpanzern. Bei den Kampfpanzern lief es dann aber nicht so glatt und einvernehmlich.

Botschaft des Biden-Beraters vor dem Besuch

Ende Januar verkündeten Scholz und Biden zwar fast synchron, dass Deutschland Leopard 2 und die USA ihre Abrams in die Ukraine liefern würden. Der US-Präsident dankte dem Kanzler für seine «Führungsstärke» und «sein unerschütterliches Engagement» für die Ukraine. Doch schon damals gab es Berichte, Scholz habe die Lieferung der Abrams zur Bedingung für seine Leopard-Zusage gemacht. Das Kanzleramt dementierte das. Biden, dessen Verteidigungsministerium den Einsatz von Abrams in der Ukraine bislang als unpraktikabel eingestuft hatte, beteuerte, er sei nicht zu einer Zustimmung «gezwungen worden».

Doch kurz vor dem Kanzler-Besuch im Weißen Haus meldete sich Bidens Sicherheitsberater Jake Sullivan in einem Fernsehinterview mit der überraschenden Aussage zu Wort, dass es ein solches Junktim doch gegeben habe. Im Interesse «der Einheit des Bündnisses» und «um sicherzustellen, dass die Ukraine bekommt, was sie will», habe Biden der langfristigen Lieferung von Abrams-Panzern zugestimmt - obwohl sie nicht das seien, was die Ukraine im Moment militärisch brauche.

Der Zeitpunkt von Sullivans Aussage und das gewählte Format vermitteln den Eindruck, dass die US-Regierung gezielt eine Botschaft an den Adressaten Scholz loswerden wollte. Gut möglich ist auch, dass sie die Erwartungen an die Abrams-Panzer dämpfen wollen - sowohl was eine baldige Bereitstellung angeht als auch ihre Leistung auf dem Schlachtfeld.

Konfliktthema US-Investitionsprogramm

Noch ein anderes Thema birgt derzeit Konfliktpotenzial zwischen den USA und Deutschland. Biden hat im vergangenen Sommer ein milliardenschweres US-Investitionsprogramm auf den Weg gebracht. Es sieht Investitionen in den Klimaschutz vor, knüpft viele Subventionen und Steuergutschriften aber daran, dass Unternehmen US-Produkte verwenden oder selbst in den USA produzieren. Das Inflationsbekämpfungsgesetz, auf Englisch Inflation Reduction Act (IRA), ist ein wichtiger innenpolitischer Erfolg für den US-Präsidenten.

In Berlin und Europa aber kommt Bidens «Made in America»-Ansatz nicht so gut an. Die Sorge vor Wettbewerbsnachteilen ist groß. Scholz forderte in einer Regierungserklärung Anfang Februar ein Entgegenkommen der USA und warnte vor einem Subventionswettlauf. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und sein französischer Kollege Bruno Le Maire warben etwa zeitgleich in Washington für eine europafreundliche Anwendung des Gesetzes, kehrten aber ohne konkrete Zusagen zurück.

Merz: Scholz hat «möglicherweise ein Problem auszuräumen»

Was am Ende bei dieser Reise herauskommen kann, treibt auch die Opposition in Berlin um. «Niemand von uns im Parlament und in der deutschen Öffentlichkeit kennt den Grund für diese Reise», sagte CDU-Chef Friedrich Merz dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (Freitag).
Er vermutet, dass Scholz «möglicherweise ein Problem auszuräumen» habe, nämlich das mit den Kampfpanzern. Da gebe es «eine ganze
Reihe von Widersprüchen. Vielleicht wollen sie ja über
diese Widersprüche reden».

Der FDP-Politiker Alexander Graf Lambsdorff hält dagegen. Ein solcher Besuch «ohne PR-Tamtam» sei zu diesem Zeitpunkt genau richtig. Und das angebliche Panzer-Problem? Deutschland habe seinen Einfluss in Washington erfolgreich geltend gemacht, sagt Lambsdorff dazu nur.

CNN-Interview zum Abschluss der Reise

Vielleicht gibt es am Ende doch noch Aufklärung über die Hintergründe des Besuchs. Ganz ohne sich an die US-amerikanische Öffentlichkeit zu wenden, wollte Scholz die USA dann nämlich doch nicht verlassen. Nach dem Treffen mit Biden stand noch ein Interview des CNN-Journalisten Fareed Zakaria auf dem Programm. Zakaria ist jemand, der den Kurs des Kanzlers bisher ziemlich positiv begleitet hat. Seine Neuausrichtung der Sicherheitspolitik, die sogenannte Zeitenwende, hatte er im vergangenen Oktober in einem Kommentar in den höchsten Tönen gelobt. Das heutige Deutschland sei ein «Fels, auf dem das neue Europa gebaut wird». Das Interview auf Englisch soll am Sonntag ausgestrahlt werden.

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