Obwohl der mutmaßliche Täter Ibrahim A. jede Aussage verweigert, werden immer mehr Details über den 33-Jährigen bekannt. Seinem Anwalt Björn Seelbach zufolge will der staatenlose Palästinenser zu den Taten vorerst schweigen.
Gegenüber der Zeitung erklärt sein Anwalt, dass Ibrahim A. vor der Untersuchungshaft, welche kurz vor der Tat endete, obdachlos in Hamburg gewesen sei.
Er hat keine Familienangehörigen in Deutschland. Seine Familie habe im Gazastreifen gelebt und sei von der Terrororganisation Hamas drangsaliert worden. Aus diesem Grund sei Ibrahim letztlich 2014 nach Deutschland geflohen.
In einem Urteil des Hamburger Amtsgerichts heißt es, dass A. und seine Familie „schwerste Misshandlungen durch die Hamas“ erlebt haben. Ihm seien „Schnittverletzungen und Verbrennungen“ zugefügt worden und ein Onkel von ihm wurde sogar von der Hamas getötet.
Demnach soll die Mutter von Ibrahim A. 2010, sein Vater schließlich 2012 verstorben sein. Seine sechs Geschwister seien zurzeit noch im Gazastreifen.
Dem Urteil zufolge soll Ibrahim in Deutschland als Paketbote und Amazon-Lieferant gearbeitet haben. Auch die Amtsrichter bemängelten das „fehlende tragfähige soziale Netz“ um ihn. Das Gericht attestierte ihm ein 50-prozentiges Risiko, wieder Straftaten zu begehen. Es fehle an einer „günstigen Sozialprognose“.
Selbst sein Anwalt war von der Entlassung überrascht
Ibrahim A. wurde am 19. Januar aus der Untersuchungshaft entlassen. Das war nur wenige Tage vor der tödlichen Messerattacke im Zug. „Ich war überrascht, dass mein Mandant so plötzlich aus der U-Haft entlassen wurde“, sagte Björn Seelbach, A.s Anwalt. Es wäre „besser gewesen, man hätte ihn auf die Entlassung vorbereiten können.“
Ibrahim A. ist kurz vor dem Messerangriff psychiatrisch beurteilt worden
Wenige Tage vor der tödlichen Messerattacke in einem Regionalzug von Kiel nach Hamburg ist der mutmaßliche Täter psychiatrisch beurteilt worden, jedoch ohne, dass dabei besondere Auffälligkeiten festgestellt wurden. Schon im Rahmen seiner knapp einjährigen Untersuchungshaft wegen eines Gewaltdelikts sei er in der Hamburger Justizvollzugsanstalt Billwerder psychiatrisch betreut worden.
„Ein Psychiater hat kurz vor der Entlassung keine Fremd- und Selbstgefährdung festgestellt", sagte eine Behördensprecherin. Deshalb habe es auch keine belastbaren Anhaltspunkte dafür gegeben, eine rechtliche Betreuung zu beantragen oder den Sozialpsychiatrischen Dienst einzuschalten.
Wie konnte es passieren, dass Ibrahim A. trotz so vieler Vorstrafen nicht länger in einer Justizvollzugsanstalt war?
Wie konnte es passieren, dass er so früh aus der Untersuchungshaft wieder entlassen wurde?
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) stellt den Umgang der Behörden mit dem zuvor bereits straffällig gewordenen Verdächtigen infrage. Sie sagt: Es geht darum, dass wir aufarbeiten müssen, wo Fehler passiert sind.“
Deutschland habe nicht zuletzt aufgrund der eigenen „dunklen Geschichte“ eine „humanitäre Verpflichtung, auch Geflüchtete aufzunehmen“, sagte sie. „Wir müssen dem Nachgehen, warum Menschen, die so gewalttätig sind, noch hier in Deutschland sind.“